Hier die Fortsetzung zum ersten Teil:
Für die „Kraftmenschen“, die bis dahin nur eine Nummer in den beliebten Varietés waren, begann damit ein goldenes Zeitalter. Einige konnten es aufgrund ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit und Optik zu weltweitem Ruhm bringen. Der noch heute bekannteste frühe Strongman dürfte Eugen Sandow sein. Der gebürtige Königsberger war einer der ersten, der mit seiner Show nicht nur in Europa, sondern auch in den USA Aufsehen erregen konnte. Sandows Veranstaltungen hatten zu dieser Zeit nur bedingt etwas mit dem heutigen Bodybuilding zu tun, dennoch gilt er heute als einer der Väter dieser Sportart. In seinen Shows ging nicht nur um die bloße Fleischbeschau, „Kunststücke“ gehörten ebenfalls zum festen Repertoire. Auf einem Werbeplakat wird er beim einarmigen Stemmen einer menschlichen Hantel (zwei Körbe, groß genug damit darin ein Mann platz hat, verbunden durch eine Stange) dargestellt. In einer Veranstaltung soll er sogar ein Pferd gestemmt haben. „Beachtlich“ trifft es angesichts dieser Leistung nicht, sofern sie nicht ins Reich der Legenden gehört.
Sicher ist, dass Sandow schnell nicht mehr nur ein Jahrmarktskuriosum, sondern beachteter Athlet, Kunstobjekt und frühes Sexsymbol war, quasi als personifizierte Männlichkeit galt. Dieser Erfolg fand natürlich Nachahmer, die vom Meister nur allzu gern unter die Fittiche genommen worden. Gegen das entsprechende Kleingeld wurde Trainingswillige mit Artikel und Bücher über Trainingsmethoden, Übungen und körperliche Gesundheit im Allgemeinen versorgt. Ein einträgliches Geschäft, das in einem genialen Werbegag gipfelte, der gewissermaßen zum Startpunkt der Bodybuilding-Bewegung wurde.
Im Juli 1898 erschien die erste Ausgabe des Sandow Magazins, indem die „Great Competition“ erstmals angekündigt wurde. Sandow erklärte, dass der Wettkampf für jeden seiner Schüler offen sein und dem Sieger ein saftiges Preisgeld von etwa 5000 Dollar winken würde. Eine Summe, die zu damaligen Zeiten ein echtes Vermögen war. Zusätzlich sollte eine goldener Mini-Sandow verliehen werden – was weiteren 2500 Dollar gleichkam.
Man kann sich vorstellen, wie sich diese Ankündigung auf die Verkaufszahlen der Sandow-Bücher und -Magazine ausgewirkt haben muss. Die Qualifikationswettkämpfe für die Great Competition dauerten drei Jahre an, bis schließlich 1901 60 Finalisten zum ersten echten Bodybuildingwettkampf in die ausverkaufte Royal Alber Hall in London einzogen. Dort wurden sie von einer qualifizierten Jury vor allem in Hinblick auf Symmetrie und Ästhetik bewertet – ganz so, wie es auch im modernen Bodybuilding üblich war, bevor der Drogenmissbrauch zum guten Ton gehörte. Sandow, der selbst als Juror auftrat, gelang damit der Aufstieg zur Legende dieser Sportart. Dass eine Nachbildung der goldenen Sandow-Trophäe auch später noch Gewinnern des Mr. Olympia-Wettkampfs überreicht wurde, illustriert den enormen Einfluss dieses Mannes bis in die heutige Zeit. Allerdings sollte er nicht der Einzige bleiben.