Wie sieht das richtige Trainingspensum aus?

Mich hat es vor einiger Zeit zum gutefrage-Ableger sportlerfrage verschlagen – zugegebenermaßen damit ich auch wieder etwas Input für neue Posts bekomme. Eine wirklich interessante Community, was mir aber aufgefallen ist, sind die immer wiederkehrenden Fragen von Anfängern: „Was haltet ihr von meinem Trainingsplan?“ oder „Wird mich das schnell an mein Ziel bringen?“. Ich will an dieser Stelle nicht noch einmal darauf eingehen, wie ein Trainingsplan gestaltet sein sollte, um wirklich effektiv sein zu können. Das Thema habe ich, denke ich, erschöpfend in den Posts zur Trainingsplanung abgearbeitet. Ich möchte einfach mal ein paar Worte zu realistischen Zielen sagen. Also zu dem, was man wirklich von sich erwarten kann.

5 Stunden Training – Ist das genug?

Ich kenne es ja selbst: Man beginnt gerade mit einer Sportart oder hat sich vorgenommen, das eigene Leben total umzukrempeln, und ist hoch motiviert. Man will durchstarten und von jetzt auf gleich alles erreichen. Überflüssiger Speck? Nächsten Monat ist er weg. Ein paar Muckis aufbauen, vielleicht so aussehen wie Ryan Reynolds – das sollte doch in einem halben Jahr zu schaffen sein oder? Man muss nur ordentlich schuften. Montags 2 Stunden Joggen, danach 2 Stunden in die Muckibude und anschließend noch eine Stunde Kurs. Dienstags gehen wir es etwas langsamer an. Nur eine Stunde Schwimmen und eine Stunde Kurs. Mittwoch läuft wie Montag und Donnerstag wie Dienstag. Pause gibts am Sonntag – vielleicht.

Anderes Beispiel, ähnlicher Ansatz: Klettern soll bis zum nächsten Sommerurlaub im mittleren Schwierigkeitsgrad möglich sein. Das müsste doch machbar sein, wenn man sich drei Mal die Woche am Seil in der Wand abmüht und an den Tagen dazwischen eine Runde Bouldern geht. Mit diesem Pensum sollte bis ins nächste Jahr etwas gehen?

Darfs doch etwas weniger sein?

Aber hallo, da geht wirklich was! Gerissene Ringsehnen, entzündete Kapseln und Überlastungsbrüche – nur ein paar Bespiele für das, was übertriebener Ehrgeiz beim Sport anrichten kann. Vielleicht ist es auch „nur“ ein Burn-out mit angehender Depression und ständige Erkältung – mit ein bisschen Glück. Was man auf diesem Weg sicher nicht wird, ist fitter und gesünder. Eher im Gegenteil. Aber das Problem ist bekannt. Als Anfänger kann man die eigenen Grenzen nicht abschätzen und glaubt häufig, viel würde viel helfen. Dem ist einfach nicht so.

Das hat natürlich nichts mit Dummheit oder Ähnlichem zu tun. Es liegt einfach an der mangelnden Erfahrung. Deswegen hier noch einmal ein paar Fakten, die man sich als Einsteiger vor Augen halten sollte:

  • Muskeln wachsen nicht während des Trainings, sondern in den Pausen dazwischen.
  • Es kommt nicht darauf an, wie lange man trainiert, sondern wie intensiv. Ein optimales Krafttraining dauert nicht länger als eine Dreiviertelstunde. Nicht aus Faulheit, sondern weil man ein richtiges Training einfach nicht länger durchhält.
  • Muskeln benötigen zur Regeneration etwa 48 Stunden, bei extrem schweren Belastungen auch länger. Sehnen dagegen benötigen mindestens 72 Stunden. Für den Anfänger heißt das, auch mal Pausentage einzulegen. Andernfalls kommen irgendwann Überlastungen und Entzündungen ins Spiel. Ist es einmal so weit, wird eine Pause fällig, die sich gewaschen hat.
  • Training ist auch Nervensache. Wer sich permanent ans Limit bringt, wird nach ein paar Wochen die Motivation verlieren, weil der Kopf nicht mehr mitmacht. Das zentrale Nervensystem muss sich genauso anpassen und regenerieren können wie der restliche Körper.
  • Wer langfristig Erfolg haben will, muss sich auch langfristig motivieren können. Kleine aber regelmäßige Fortschritte sind da das Richtige. Leistungsabbau, wie er bei zu viel Training durchaus vorkommen kann, ist dagegen absolutes Gift.
  • Muskelaufbau und Leistungsprogression brauchen Zeit. Oftmals vergehen Jahre, bis man ist, wo man von Anfang an hin wollte. Es gibt keine Umwege (wirklich nicht, auch nicht mit Stoff). Zeit ist der entscheidende Faktor. Ihr habt sie, also nehmt sie Euch. Andernfalls bleibt Ihr auf der Stelle stehen.

Übrigens gilt das auch für die Leute unter uns, die „nur“ abnehmen wollen. Es braucht seine Zeit, bis die Pfunde verschwinden. Vermeintlich schnelle Umwege führen oft genug dank Jojo in die exakte Gegenrichtung. Und wer es mit dem Sport übertreibt, endet am Ende vermutlich im Motivationsloch, ohne dauerhaft Erfolg gehabt zu haben.

Und übrigens, die Beispiele oben sind nicht aus der Luft gegriffen.  Leider gibt es wohl tatsächlich Menschen, die sich so selbst zugrunde richten wollen. Macht das nicht. Trainiert mit Köpfchen.

Grüße

Ralf