Sandow war aber durchaus nicht der Einzige, der sich mit enormer Kraft und ausgeprägter Muskulatur einen Namen machte. Wenn auch weniger bekannt, konnten damals Männer wie Arthur Saxon, Alfred Danks und Thomas Inch die Menschen mit ihren Fähigkeiten begeistern. Einige der ihrer Leistungen bleiben sogar bis heute unerreicht, beispielsweise Saxons two hands anyhow-Rekord von 448 Pfund. Auch wenn die Optik dieser Herren im Angesicht heutiger Kraftsportler kaum jemanden noch wirklich beeindrucken könnte, waren sie Berühmtheiten und Vorbilder und beeinflussten mit ihrem Schaffen die ganze damalige Gesellschaft. Wie Sandow verdienten auch sie nicht nur an ihren Auftritten, sondern am Aufbau des Breitensports mit geschriebenen Kursen und Übungsanleitungen. Ein interessantes Geschäft in Zeiten, in denen es weder Fitnessstudios in jedem Dorf noch Gewichte zu erschwinglichen Preisen gab.
Eigengewichtsübungen und der Expander waren deshalb die Trainingsmethoden der Wahl. Neben der hohen Variabilität beim Training, hatten Gummibänder einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie waren vergleichsweise billig und leicht, was den Transport mit der Post ermöglichte. Man stelle sich einfach vor, wie ein Postbote vor der Tür stünde, in der einen Hand ein Buch von Saxon und in der anderen 150 kg an Eisenhanteln. Vollkommen unrealistisch in einer Zeit, in die allgemeine Motorisierung noch in den Sternen stand.
Wollten die Strongmen mit ihren Kursen wirklich Geld verdienen, mussten sie sich also den Gegebenheiten der anpassen. Deshalb gaben die „Meister“ nicht nur Anleitungen für das Expander-Training heraus, sondern entwickelten auch eigene Varianten des Geräts und verkauften es an ihre Anhänger. Das einträgliche Geschäft dürfte allerdings nicht der einzige Grund sein, warum Expander so stark beworben wurden. Tatsächlich gehörten die Gummibänder zum Trainingsalltag der damaligen Athleten. Nicht jeder trieb es auf die Spitze wie etwa Alfred Danks (Bild links), der nach eigenen Angaben ausschließlich mit elastischen Widerständen trainierte und so seine beachtliche Stärke erarbeiten konnte. Zum Einsatz kamen sie aber überall. Das ist nicht nur durch die Publikationen der Kraftmenschen belegt, sondern fand auch in ihren Shows Ausdruck, zu denen regelmäßig auch Stunts mit Expandern gehörten.
Das Ganze entwickelte sich schnell zu einer eigenen Sportart, genannt strandpulling, zu deutsch etwa „Seilziehen“, die sich besonders in England großer Beliebtheit erfreute. So wurden dort zu erst offizielle Wettkämpfe mit festen Regeln und Übungsrepertoire abgehalten. Wer ein altes Guinness Buch der Rekorde auf dem Speicher findet, könnte darin unter Umständen auch die Leistungen von Strandpulling-Profis nachlesen. Weitere Verbreitung fand der Sport allerdings nicht. So sind zum Beispiel nur einige wenige Wettkämpfe abgehalten worden, was letztendlich auch der Grund sein dürfte, warum Strandpulling heute keine Rolle mehr spielt.
Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre ließ das Interesse am Expander-Training stetig nach. Der letzte weltweit bekannte Sportler, der dem Gerät in seinen Veröffentlichungen Platz einräumte, dürfte die Bodybuilding-Legende Reg Park gewesen sein. Der dreimalige Mr. Universe trainierte regelmäßig mit dem Expander und gab ebenfalls seine eigene Reihe heraus. Seither hat sich das Gerät eher zum Geheimtipp in verschiedensten Sportarten wie Boxen, Ringen und Kraftdreikampf entwickelt, findet ansonsten aber relativ wenig Beachtung. Eine ziemlich unverdiente Außenseiterposition wie die Geschichte des Bodybuildings zeigt.