No pain, no gain – das ist die Bodybuilding-Weisheit schlechthin. Im übertragene Sinne meint sie, wer nicht am Limit trainiert, wird keine Erfolge haben. Das deutsche Äquivalent dazu ist RHT, ein Wundermittel, dass gern Anfängern empfohlen wird, wenn sie sich nach Supplementen umsehen. Gemeint ist richtig hartes Training. Dieser Spruch ist ein Dauerbrenner in der Fitnesswelt. Und irgendwo klingt es ja auch logisch, dass nur der maximale Erfolge erzielt, der bis an seine Grenzen und darüber hinausgeht. Dummerweise schafft das nun mal nicht jeder. Schlimm ist das allerdings nicht, denn Vollgas bringt einen nicht immer schneller als Ziel.
Fitness im Fokus der Wissenschaft
Sportwissenschaftler sind manchmal ein echter Segen. Zum Beispiel dann, wenn sie Probleme des Breitensports untersuchen und damit Fragen klären, die wir sonst der Erfahrung einzelner Sportler überlassen müssten. Das ist natürlich grundsätzlich nicht falsch, führt aber immer wieder zu Mythenbildung. Siehe beispielsweise die völlig überzogenen Angaben bezüglich der Eiweißmenge, die täglich benötigt wird, damit die Muskeln wachsen können. Seit Kraftsport und Bodybuilding in den letzten 30 Jahren zu einer echten Massenbewegung geworden ist, beschäftigen sich auch Wissenschaftler immer häufiger mit Problemen des Trainingsalltags durchschnittlicher Menschen. Unter anderem eben auch damit, wie anstrengend ein Training sein muss, damit es optimale Ergebnisse erzielt.
Bevor ich jetzt direkt auf das für manchen vielleicht etwas überraschende Ergebnis eingehe noch eine kurze Vorbemerkung. Bei der Untersuchung auf die ich mich beziehe, spielt eine gewisse Subjektivität eine Rolle. In der Sportwissenschaft hat sich ein Modell etabliert, dass Belastung nach individuellem Empfinden kategorisiert. Ein Satz, eine Wiederholung oder ein ganzen Training kann dementsprechend als sehr leicht, leicht, leicht bis mittel und so weiter empfunden werden. Wie sich das in der Praxis anfühlt, dürfte uns allen ja hinreichend bekannt sein.
„No pain, no gain!“ als Studienobjekt
Jetzt aber zur eigentlichen Frage: Trifft „No pain, no gain!“ zu oder kann man diese Weisheit getrost in die Tonne kloppen? Kurz und knapp – Jein. Ja, es stimmt. Training an der Belastungsgrenze bringt tendenziell die besten Ergebnisse hinsichtlich Leistungssteigerung. Und nein, es stimmt nicht, weil weniger hartes Training ebenfalls sehr gute Erfolge ermöglicht.
Um etwas mehr ins Detail zu gehen. Sportwissenschaftler der Uni Bayreuth und der Uni Köln haben drei Sportlergruppen beobachtet, die für das Experiment acht Wochen lang nach dem gleichen Trainingsplan (inklusive Wiederholungszahlen pro Satz), aber mit unterschiedlicher Intensität trainierten. Gruppe 1 beendete die Trainingssätze mit dem Belastungsempfinden mittel, Gruppe 2 empfand die letzten Wiederholungen als schwer und Gruppe 3 trainierte in jedem Satz bis zum Muskelversagen, empfand den Satz demnach als sehr schwer.
Interessant ist, was sich am Ende der acht Wochen zeigte. Wie erwartet hatten Gruppe 2 und 3 deutlich größere Leistungszuwächse als die erste Gruppe. Wesentlich geringer fiel dagegen der Unterschied zwischen den beiden Erstgenannten aus. Bei einigen Übungen lagen die Zuwachsunterschiede im Bereich von 0,x Prozent. Und das völlig unabhängig davon, ob es sich bei den Probanden um Untrainierte oder um Sportstudenten handelte.
Schwer oder sehr schwer?
Dieses Ergebnis vor Augen stellt sich die Frage, ob es sich wirklich lohnt, Vollgas zu geben. Eine pauschale Antwort kann ich darauf leider nicht geben. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Aber es gibt durchaus Argumente, die für schweres und gegen sehr schweres Training sprechen:
Zum einen wäre da die Tatsache, dass die Leisterungssteigerung bei sehr hartem Training nur wenig besser ist. Das kann natürlich nur dann gelten, wenn man damit leben kann, dass es ein wenig langsamer voran geht. Für Sportler mit Wettkampfambitionen ist das auf den ersten Blick natürlich keine Option, selbst wenn es sich nur um Amateure handelt. Stellt sich nur das Problem, dass extrem hartes Training eben auch eine extrem hohe Belastung für den Körper darstellt. Und die ist nunmal nicht immer wünschenswert. Die Muskulatur mag sich schnell anpassen, Sehnen, Bänder und Knochen brauchen aber etwas länger. Damit steigt auf Dauer das Verletzungsrisiko. Erschwerend kommt dazu, dass die Übungsausführung häufig unter hoher Last leidet. Verletzungen werden also noch wahrscheinlicher. Wenn man dann noch bedenkt, dass das zentrale Nervensystem bei hohen Intensitäten auch sehr viel stärker belastet wird, zeigen sich doch auch deutliche Nachteile des RHT.
Am Ende ist es also zumindest bedenkenswert, ob man nicht hin und wieder einen Gang zurückschaltet. Und, ob Gewissensbisse wirklich gerechtfertigt sind, wenn man mal nicht mit Vollgas trainieren konnte.